Foto Shadan 4

Khushbo Shadan: Miniaturen und Gemälde

Ausstellung vom 23. April – 14. Mai 2017 

Vernissage: Sonntag, 23. April 2017, 11.00 Uhr. Kunstraum Bad Honnef, Rathausplatz 3.
Zur Einführung spricht Dr. Heidrun Wirth

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, zu der Vernissage zu kommen oder sich die Ausstellung während der Öffnungszeiten des Kunstraums anzuschauen.

Foto Shadan 4                        Foto Shadan 2                         Foto Shadan 1  

Khushbo Shadan ist in Herat / Afghanistan geboren. Sie ist gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen geflüchtet und lebt mit ihrer Familie seit rund zwei Jahren in Bad Honnef.
Herat liegt an der afghanisch – iranischen Grenze und ist seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts Zentrum der persischen Miniaturmalerei. Die persische Miniaturmalerei ist eine Kunstrichtung, die sich vor allem der Illustration dichterischer Werke widmet. Auf kleinem Raum werden Details liebevoll gestaltet. Die Themen sind poetisch phantastisch, häufig von mythologischen Stoffen angeregt. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erlebte die persische Miniaturmalerei eine Renaissance und hat auch Anregungen aus der europäischen Malerei aufgenommen.
Khushbo Shadan hat von 2010 bis 2013 an der Universität in Herat Kunst mit Schwerpunkt persische Miniaturmalerei studiert.
„Mit meine Kunst möchte ich die Fantasie der Menschen anregen, aber auch Denkanstöße geben. Ich sehe mich thematisch in der Tradition der persischen Malerschule. Nach meiner Ausbildung habe ich mich aber auch Themen zugewandt, die sich mit meiner Situation als Frau in Afghanistan und mit der Lage meines Heimatlandes auseinandersetzen.“ (Khushbo Shadan)

Dr. Heidrun Wirth bei der Vernissage:
„In diesem schönen lichten  „Kunstraum“ hier in  Bad Honnef wird  im allgemeinen Kunst aus der Region gezeigt, doch wie man sieht, ist der Begriff der Region weit geworden, denn seit eineinhalb Jahren lebt die Flüchtlingsfamilie Shadan aus Afghanistan in Bad Honnef.
Die junge Familie  mit den Zwillingen Wali  und Walid im Vorschulalter hat eine  Wohnung in der Austraße bezogen und Wali  und Walid, bereits im Kindergarten,  verstehen schon überraschend gut Deutsch. Alles Lichtblicke inmitten der Arbeitsprobleme, besonders für den Vater, doch nun tat sich mit dieser Ausstellung hier für die Mutter, die Künstlerin Kushbo Shadan, ein besonderer Lichtblick auf.   
Was man mit Worten nicht sagen kann, das offenbart sich in großer Unmittelbarkeit in diesen Bildern. Es war nicht so einfach, die  Bilder von Kushbo Shadan, die schon an der Akademie in Herat entstanden sind, überhaupt hierher zu bekommen. Durch die kommunikative Hilfe von Herrn Dr. Hartmut Sommer, der die Künstlerin über einen Sprachkurs kennen gelernt hat und der nun  zusammen mit Frau Nasner diese Ausstellung hier kuratiert hat, ist es gelungen. Viel  Beharrlichkeit und großer Einsatz stehen im Hintergrund.

Nun zur Künstlerin:
Die im afghanischen Herat, unweit der iranischen Grenze, 1992 geborene Kushbo Shadan hat an der dortigen Ahademie von 2010 -2013  Kunst studiert. Ein Schwerpunkt lag dabei auf persischer Miniaturmalerei, einer besonders feinen Malerei.  Hier bei uns könne sie diese Malerei  aber nicht weiterführen, meinte sie. Nach dem Grund befragt,  sagte sie, hier gäbe es so feine Pinsel nicht. Ich denke, hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. 
Diese   detailgenaue figurative Malerei,  in leuchtenden Farben ist übrigens viel älter als die erst 1981  gegründete Universität in Herat.
Es gab im alten persischen Raum  drei Hochschulen: in Schiras, in Täbris und eben in Herat. Hier reicht die Tradition der Miniaturmalerei  bis in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts in die sogenannte timuridische Hofmalerei  zurück.  Der Gründervater ist Kamaleddin Behzad um 1460.  Im Laufe der Jahrhunderte wurde diese Miniaturmalerei  mehr und mehr durch filigrane Ornamentik und raffinierte  Farbigkeit  verfeinert.  Interessant ist von Anfang an der enge Zusammenhang zur Poesie.  Behzad entnahm seine Motive aus den Texten der Poeten Dschami und Navau.   Diese Verbindung mit der Schrift  ist auch auf der kleinen persischen Originalminiatur zu sehen, die aus dem Reich der indischen Mogule stammt, die sich eben von den Timuriden ableiten, und diese übrigens wiederum sehr gern von Dschingis Khan. Die Shadans können die Texte zwar lesen, haben aber die gleichen Schwierigkeiten, als wenn wir mittelhochdeutsche Texte lesen müssten.
In Herat auf der Akademie sind diese teils traditionellen, teils kritischen, teils klagenden, teils  auch ironisch, fast möchte man sagen, auch humorvollen Bilder entstanden. Die Künstlerin bedient sich der traditionellen stilistischen Mittel und auch der stimmungsvollen Sujets, die –stets bei einem Dasein in einer rauen und harten Wirklichkeit-  so gern die Träume vom Paradies beschwören,  doch ihre Bilder sind zugleich in der Wirklichkeit angekommen und nur in einem fernen Nachklang ist noch etwas von der literarischen Hofmalerei zu spüren.
Dazu gehören der akkurate, detailgenaue Stil und die Farbenfreude, und auch der Gedanke, etwas zu malen, was über bloße Porträts hinausgeht, etwas, was die Menschen in ihrem Leben umgibt, was ihr Leben ausmacht.  Die Figuren haben ein malerisches Umfeld, der Bildgrund ist mehr oder minder aufgewühlt oder harmonisierend in weichem Pinselauftrag,, heller oder dunkler. Sie sehen, diese Bilder sind „professionell“ gemalt und doch zugleich  ergreifende Dokumente aus einem Land  zwischen Urtümlichkeit, Schönheit und Verzweiflung.
Faszinierende  Frauenbilder erzählen ihre Geschichten:  
Da erinnert uns ein Bild an die Höhle von Bamiyan, in der die großen Buddhafiguren – sie zählten zum Weltkulturerbe- durch die Taliban zerstört wurden.  Die große Höhle hat sich auf dem Bild von Kushbo Shadan wieder gefüllt, und zwar mit einer übergroßen geisterhaften Burkaträgerin. „Eingeschlossen“ ist der vielsagende Titel des Bildes. Wie eine Erscheinung leuchtet die überlange Frauengestalt im bläulichen Gewand der allgemein verbreiteten Burka hervor, einer Ganzkörperverhüllung, die erst ab 1850 flächendeckend getragen wird. (Man braucht für diese Verkleidung, die ursprünglich nur in der Stadt getragen wurde, versehen mit einem Sichtfenster aus einem Stoff- oder Rosshaargitter, übrigens keine Stecknadeln oder andere Befestigungsmittel.)  Diese Frauengestalt taucht hier wie ein gesichtsloser Geist oder ein beschworenes Gespenst auf,   Symbol und Anklage  für alles Unrecht, das dort geschah und immer noch geschieht.
Ergreifend ist das Bild, auf dem eine Frau mit verschatteten Augen durch ein Gitter  blickt. Die rinnenden roten Spuren sprechen für sich, es ist das  Thema der „Steinigung“ von Frauen, die es gab und gibt. Und doch ist auch dieses Bild, das uns zutiefst bewegt, bei der Künstlerin Kushbo Shadan durch das Feinsieb einer künstlerischen Konzeption gelaufen. Es ist weder voyeuristisch noch plakativ. Es lebt von der Spannung des Blickes und den informellen Farbspuren, die hier auch zu einem dem Außer-Kraft-Setzen der gängigen Ornamentik (in der Miniatur) werden.
Doch gibt es auch Szenen mit jenem  poetischen Schmelz einstiger persischer Miniaturen: Mann und Frau sind eng zusammengerückt, allein  auf einem Feld in wüstenhafter Dürre. Es ist ein Bild der Nähe in der Weite der Wüste. Der Mann ist dankbar, die alte Frau mit Zahnlücke bringt das Essen. Die beiden scheinen sich gegenseitig Trost und Nähe zu geben. Hier ist das malerische Umfeld völlig harmonisch.   Dazu passt das Bild von der Bauersfrau, die vom Feld kommt. Vielleicht sind Sie etwas schlauer als ich, die ich diese Halme nicht erkannt habe. Es ist kein Brennholzbündel, es ist der mit der Hand geschnittene  Weizen, der seit der Sesshaftwerdung des Menschen so gezüchtet wurde, dass er seine Körner beim Transport nicht gleich verliert.   
Zeitlose Schönheit entfaltet sich  in Landschafts- und Architekturbildern der uralten Stadt  Herat an der Seidenstraße. Die Künstlerin hält diese Schönheit in der ockerfarbenen Ziegelarchitektur der Zitadelle fest. Sogar in ihrer Titelliste führt sie auf, dass die Festung  330 v. Chr.  von Alexander dem Großen, (der auf seinen Feldzügen ja bis Indien kam), errichtet wurde. Da sind aber auch die alten muslimischen sakralen Bauten. Einsam verträumt liegt das Grabmal der Gauhar –Shad (gest. 1457), der Ehefrau des timuridischen Sultans Schah- Ruch in der Wüste.
Kulturkritik an der blauen Burka, der Ganzkörperverschleierung  der Frau, kann die Künstlerin aber auch voller Ironie üben, indem sie eine Verschleierte malt, die sich mit einem I-Pad vor dem Augengitter die Welt erschließt,  oder dort eine Burkafrau  mit einem Vogelkäfig auf dem Kopf , sozusagen als „krönendem“ Abschluss auf der Pyramidenspitze der Verhüllung, mit dem schlichten Titel: „Vogelverkäuferin“. In krassem Gegenüber stehen dazu die „berühmten Augen des Flüchtlingsmädchens Sharbat Gula (eine direkte Nachfahrin von Alexander dem Großen???)
Hinzu kommen noch Aquarelle und auch hier, die man ja den Farbauftrag nicht korrigieren kann,  eine Messlatte für einen treffsicheren, frischen Pinselzug und einer Malerei reich an Nuancen. Damit in der westlichen Malerei angekommen, fügen wir vorsichtig hinzu.
Dann gibt es noch Bilder auf dunklem Grund, auch wieder blendend gemalt, indem das dunkelgraue Papier den Bildraum wiedergibt, der dann sparsam, fast ein bisschen surrealistisch, mit Gegenständen und Figuren ausgestattet wird, mit dem Titel „Fantasie“ bezeichnet.
Ich mache den Vorschlag, wer immer eine Arbeit von Kushbo Shadan zu diesen günstigen Preise kaufen will, sollte seine Adresse hinterlassen, denn diese Bilder, die eine viel größere Plattform verdient hätten, sollten  aus dokumentarischen Gründen nicht unauffindbar sein.
Wie wird es weitergehen mit der Kunst von Kushbo Shadan?? Wir sind gespannt. 
Wie wird es überhaupt weitergehen so möchte ich abschließend noch einer anderen Künstlerin aus Kabul (die 1987 in Kabul geborene Hamad Hassanzada) eine Stimme leihen, die in ihrem Gehalt, nicht in der Biografie  meines Erachtens  auch die von Kushbo Shadan sein könnte:
„Ich verbrachte meine Kindheit inmitten von Bürgerkrieg, Explosionen und Raketenfeuer. Chaos und Aufruhr waren an der Tagesordnung. Mit sieben oder acht Jahren begann ich zu malen. Als ich zehn war, musste meine Familie auswandern. Später kehrte ich nach Kabul zurück – in der Hoffnung, die globalisierte Gesellschaft hätte Afghanistan Frieden gebracht. Aber leider belasteten mich die Schrecken des Krieges noch mehr. Sie waren über die Stadt hereingebrochen und hatten Straßen und Alleen in Schlachtfelder verwandelt. Ich erlebte einige kritische Situationen und mein Herz wurde bitter und schwer. Ich denke, das afghanische Volk ist zwischen Tradition und Moderne gefangen und kämpft mit sich selbst. Es möchte frei werden, aber derzeit ist das nicht möglich. Ich suche nach Wegen, um diese Kämpfe in meiner Kunst darzustellen. 
So ist auch unsere Ausstellung hier von unseren guten Wünschen begleitet.