Gabriele Undine Meyer, Bielefeld, Fotoinstallationen

meyer_150Gabriele Undine Meyer
geb. 1955 in Heilbronn
2005 Arbeitsaufenthalt in Hanoi
2003 Arbeitsaufenthalt in New York, USA
2001 Recherche in Cedar Rapids, USA für Ausstellungsprojekt in der Kunsthalle Bielefeld
1997 – 2006 Kuratorin, Galerie Artists Unlimited, Bielefeld
1996 – 2007 Atelier im Künstlerhaus Artists Unlimited e.V., Bielefeld

seit 1986 als Künstlerin und Kunstpädagogin tätig; Lehrbeauftragte an der Fachhochschule Kiel, der Sheffield Hallam University, England, am Fachbereich Ästhetische Bildung des Burckhardthauses, Gelnhausen, beim OFF-Theater, Neuss u.v.m.
seit 1992 Einzelausstellungen im In- uns Ausland (2007 Kunstraum, Bad Honnef, 2006 Kunstverein Schwerte, 2005 Kunstverein Paderborn und Ryllega Gallery, Hanoi, Vietnam, 2003 Carlton Arms Hotel, New York, USA, 2001 Kunsthalle Bielefeld u.v.m.)
seit 1990 Gruppenausstellungen (2007 Museum MARTa Herford, Kunstverein Germersheim und Kulturzentrum BIS, Mönchengladbach, 2004/2005 Felix-Nussbaum-Haus, Osnabrück u.v.m.)
Arbeiten in privaten und öffentlichen Sammlungen. lebt in Bielefeld

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Auszüge aus der Einführung in die Ausstellung „Fotografische Arbeiten“ von Gabriele Undine Meyer durch Prof. Dr. Benedikt Sturzenhecker

Die Arbeiten von Gabriele Undine Meyer, die in der Ausstellung im Kunstraum Bad Honnef zu sehen sind, zeigen Gesichter. Abbilder von Gesichtern haben starke Kraft unsere Reaktion hervorzurufen. Die Portraits werden schnell zum Gegenüber, auf das wir antworten. Wir lesen etwas in sie hinein, wir schreiben ihnen bestimmte Charakterzüge zu, wir entwickeln Gefühle der Sympathie oder Antipathie, wir fühlen uns ihrem Blick ausgeliefert oder in ihm geborgen. Neutral können wir kaum bleiben. Insofern bietet uns diese Ausstellung intensive Erfahrungen an. Es sind Erfahrungen unsererselbst: die Bilder bleiben stumm, sie sagen oder tun nichts: wir sind es, die sie verlebendigen und mit Qualitäten ausstatten. In diesem Sinne zeigen die Bilder nicht sich, sondern uns. Der Blick der Portraits kann uns einen Spiegel offerieren, eine Chance auf uns zu schauen im Blick des Gegenübers. Nun würde das auch gelten für alle möglichen Varianten von Gesichtsabbildungen. Hier haben wir aber eine spezielle Form von Gesichtsbildern vor uns, die noch mehr anbietet. Wir sehen nicht nur Gesichter, sondern sie scheinen aus der Vergangenheit zu kommen, und sie sind nicht einfach Fotos, sondern bearbeitet, verfremdet, auf ungewohnte Weises vorgestellt.

Die Künstlerin geht aus von gefundenen alten Schwarz-Weiß-Fotos im wesentlichen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese Fotos vergrößert sie häufig auf halbtransparentes Spinnwebpapier, welches in alten Fotoalben die Seiten trennt. Dieses Papier wird mit lichtempfindlicher Emulsion beschichtet und dann belichtet. Gelegentlich wird auch hauchdünne vietnamesische Seide verwendet.
Die Foto-Emulsion trägt die Künstlerin mit malerischem Gestus auf, und so erscheinen manche Portraits wie mit groben Pinselstrichen gemalt, andere wie mit Graphit gezeichnet. Malerei und Fotografie durchdringen sich. Die schemenhafte Schwarz-Weiss-Zeichnung und der malerische Duktus der Figuren und Gesichter abstrahieren diese von den individuellen Portraits konkreter Personen der Ausgangsfotos. Das öffnet sie für einen Kontakt mit dem Betrachter, indem er oder sie die „Leerstellen“ mit eigenen Assoziationen, Erinnerungsbildern und Gestaltschließungen füllen kann. Eine allgemeinere Annäherung und Beziehungsaufnahme wird möglich.

Die Portraits erscheinen als geisterhafte Schemen, die die Betrachter und Betrachterinnen „lebendig“ werden lassen können, aber nur unter der Bedingung, dass sie ihre ferne Nähe und nahe Ferne akzeptieren. Nur wenn die Betrachter etwas von sich einbringen, wenn sie in sich hineinhören, entsteht in ihnen ein Dialog mit den schweigenden Gesichtern.
Andererseits bleiben die Bilder doch so flüchtig, dass man sie nicht endgültig in den Griff bekommen und sie als Objekte der eigenen „Vergangenheitsbewältigung“ funktionalisieren kann. Sie bleiben Bilder, und als Bilder verweisen sie darauf, dass wir Betrachter es sind, die ihnen Leben einhauchen, dass wir es sind, die in ihnen etwas entdecken, etwas in sie hineinlegen, dass wir selbst es sind, mit denen wir sprechen, wenn wir diese Gesichter anschauen.

Gabriele Undine Meyer eröffnet also mit ihren Arbeiten ein sich selbst bewusstes Erinnern, aber sie schützt die Vergangenen vor einem erinnernden Zugriff, der sie für die Zwecke der Heutigen allzu stark zurichtet. Sie ermutigt uns, nicht zu vergessen, dabei aber den Vergangenen und ihrer Geschichte nicht zu nah zu treten, also respektvolle Distanz zu wahren. Sie scheint verhindern zu wollen, dass Erinnerung erstarrt. Sie erinnert daran, dass wir es sind, die sich im Blick auf die Vergangenheit in der Gegenwart konstruieren und in die Zukunft entwerfen.

Die Arbeiten Gabriele Undine Meyers erlauben uns einen nicht faktisch-historischen, sondern einen selbstreflexiven Zugang zu Geschichte, zur Geschichte, wie wir sie in uns „geschichtet“ habe, zu unseren Vergangenheitskonstruktionen. Sie eröffnen Zugang und stellen unsere Erinnerungsweisen gleichzeitig in Frage.

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